24. 1. 2022

{job report} Keramikerin Agnes Kimeswenger-Kilyenfalvi von Studio ABK

Vor ein paar Tagen habe ich die Keramikerin Agnes Kimeswenger-Kilyenfalvi von Studio ABK in ihrer Werkstatt im 18. Bezirk besucht und ihr bei der Arbeit über die Schulter geschaut. Zusammen mit ihren Kollegen teilt sie sich einen Patz in der Werkstatt von Hermann Seiser, einer der letzten Formenbauer Europas. Regale voller Formen teilen sich hier den Platz mit Stücken der fünf Keramikkünstler. Eine eigene Welt in die ich da eingetaucht bin und ich war sofort fasziniert. Wie bereits in einem meiner letzten Beiträge erwähnt, ist einer der Interior Trends 2022 die Liebe zu handgemachten Einzelstücken aus Keramik und Ton.

Was in der Fine Dining Szene schon lange im Trend liegt, zieht nun auch vermehrt in unsere privaten Domizile ein. Die Handwerkskunst erlebt gerade ein richtiges Revival – was einerseits bestimmt an den besonderen Oberflächen liegt – wir erinnern uns: die Sehnsucht nach haptisch interessanten Oberflächen ist immer mehr gefragt – aber auch andererseits an dem Einzigartigen, Unperfekten. Es geht grundsätzlich darum, die Handwerkskunst und Einfachheit in den schönen Dingen des Lebens wieder wertzuschätzen – und zwar in all seinen Facetten.

Agnes bei der Erstellung eines ihrer Designs zu beobachten hatte geradezu etwas Meditatives. Während sie die Punkte mit einem Holzstäbchen auf die Keramikoberfläche auftrug und die glänzende Masse für eine neue Duftlampe in die Form goss, unterhielten wir uns über die Keramikkunst, die Selbstständigkeit und die Wichtigkeit des Wiedererkennungswertes.

Keramikerin Agnes Kimeswenger-Kilyenfalvi

Liebe Agnes, erzähl mal, wann hat die Liebe zu Keramik begonnen?

Eine große Liebe zu Kunst und Handwerk habe ich seit ich denken kann. Ich komme aus einer Musikerfamilie und mein Vater ist Geigenbauer, so bin ich also schon sehr früh in Kontakt mit Kunst und Handwerk gekommen. Dass ich irgendwas Künstlerisches oder Handwerkliches arbeiten möchte, war mir eigentlich immer schon klar. Dass es dann allerdings die Keramik sein würde, das hat sich erst mit Anfang zwanzig für mich herauskristallisiert.

Hast du deine Ausbildung zur Keramikerin in Wien gemacht? Wer war dein Lehrer ?

Ja, ich hab eine vierjährige Ausbildung mit Diplom an der Wiener Kunstschule bei Hermann Seiser gemacht. Heute hab ich das große Glück, einen Platz in seiner Werkstatt zu haben. Es ist schon ziemlich toll, Seite an Seite mit jemandem arbeiten zu können, der einem so viel beigebracht hat und von dem man immer noch so viel lernen kann.

“Ich habe mich gefragt, ob es nicht viel schlimmer wäre, mich nie getraut zu haben als eventuell zu scheitern.”

Keramikerin Agnes Kimeswenger-Kilyenfalvi von Studio ABK
Keramikerin Agnes Kimeswenger-Kilyenfalvi von Studio ABK

“Inspiration finde ich oft dort, wo ich sie gar nicht erwarte.”

Bei Keramik gibt es ja unterschiedliche Herstellungsarten. Auf welche hast du dich spezialisiert und warum hast du diese Methode gewählt.

Ich arbeite sehr gerne sowohl mit Gießmassen als auch mit plastischem Porzellan. Allerdings töpfere ich nicht, ich modelliere eher frei, oder arbeite mit der sogenannten Plattentechnik, bei der man die Stücke aus ausgewalzten Porzellanplatten aufbaut – meine „Audrey“ Vasen oder „Alice“ Schalen entstehen zum Beispiel so. Die Arbeit mit Gussformen macht mir aber auch sehr viel Spaß, diese Technik eignet sich hervorragend für Serien. Meine Gipsformen – Prototypen, Positiv- und Negativformen, auch mehrteilige – mache ich natürlich alle selbst.

Wo findest du Inspiration für deine Arbeiten?

Oh, das ist eine schwere Frage. Eigentlich überall. Oft auch dort, wo ich sie selber garnicht erwarte. Natürlich inspirieren mich andere Künstler_Innen oder gewisse Stilrichtungen oder die Natur – eh klar – aber manchmal ist es auch eine Erinnerung an ein Gespräch, das man vor Jahren mit jemandem hatte, oder die Struktur von uraltem Kopfsteinpfaster. Hin und wieder hat der Zufall auch seine Hand im Spiel, und bei Gebrauchsgegenständen spielen ganz praktische Überlegungen zur guten Handhabung natürlich eine große Rolle.

Deine Kreationen haben einen großen Wiedererkennungswert – vor allem wenn ich irgendwo die Schälchen mit den Punkten sehe, weiß ich, die sind von Studio A.B.K. Was waren bis jetzt deine spannendsten Projekte?

Vielen Dank, das freut mich sehr!
Ein sehr schönes Projekt war für mich zum Beispiel die Arbeit an der Duftlampe „Naschmarkt“ für und mit der „Sellerie“. Auch die Vase „Trunkquil“, ebenfalls mit der „Sellerie“ hat mir total Spaß gemacht. Auch sehr spannend war die Arbeit an den Olivenölflaschen für „Gute Sachen“. Das war eine interessante Herausforderung, weil ich ja alles sehr exakt berechnen musste, damit dann genau 500ml Öl hineinpassen, und der Verschluss muss natürlich auch gut sitzen. Ansonsten liebe ich die Arbeit mit eingefärbtem plastischem Porzellan und der sogenannten Nerikomi Technik. Das ist recht zeitintensiv, darum entstehen da immer nur sporadisch ein oder zwei Objekte, aber das ist für mich eine ziemliche Herzensangelegenheit.

Wie fasst man in der kreativen Branche Fuß? War es ein Leichtes für dich den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen?

Nein, das war gar nicht leicht.
Mein Diplom habe ich 2014 gemacht, danach habe ich mich jahrelang nicht getraut selbständig zu machen. Stattdessen habe ich meinen Studentenjob von damals und andere Jobs weitergemacht. Ein Jahr vor der Pandemie ist dann meine Großmutter gestorben, die mir sehr nahe stand. Das hat mich sehr mitgenommen und mir war plötzlich klar, dass es für mich so nicht mehr weitergehen konnte. Ich hab mich gefragt, wovor ich mich eigentlich so fürchte und ob es nicht viel schlimmer wäre, mich nie getraut zu haben als eventuell zu scheitern.

So hab ich also begonnen mich auf die Selbständigkeit vorzubereiten. Dann kam Corona, aber mein Plan war schon auf Schiene und ich wollte mich nicht mehr davon abhalten lassen. Im Herbst 2020 war es schließlich soweit und ich habe studio abk gegründet.

Studio ABK - Keramikkunst als Interior Trend

Dass meine Stücke zum Beispiel in einem so gut kuratierten Sortiment wie dem von der Sellerie vertreten sind, ist für mich eine große Ehre.

Wie sieht ein normaler Arbeitstag bei dir aus?

Ich bin 5-6 Tage pro Woche in der Werkstatt, meistens so ab Mittag. Oft bleibe ich dann bis ca 20:00 dort. Meine Zeit in der Werkstatt teile ich je nach Projekt unterschiedlich ein, es hängt aber auch ein bisschen von meinen Kolleg_Innen ab. Wir sind zu viert in der Werkstatt und teilen uns zwei Brennöfen. Da die Brände sehr lange dauern sind sie maßgeblich für die Zeitplanung, und nachdem wir die Öfen ja gemeinsam benutzen, besprechen wir immer welche Brände wir in der kommenden Woche brauchen, und wann diese ca sein werden. Daran orientieren wir uns dann.


Ansonsten schauen meine Tage in der Werkstatt immer recht unterschiedlich aus. Manchmal bin ich stundenlang nur mit der Planung und dem Bau einer Gipsform beschäftigt, manchmal schleife und glasiere ich den ganzen Tag. Und von Zeit zu Zeit muss natürlich auch der Schauraum umgestaltet werden, es kann also auch sein dass ich mal gar nichts keramisches mache, sondern nur Vasen, Teller und Trockenblumen arrangiere. Eine meiner Lieblingstätigkeiten ist allerdings mit einem Holzspießchen das Punktemuster auf meinen „Alice“ Schalen zu machen. Das könnte ich den lieben langen Tag machen. Nur meine Augen sagen dann irgendwann „Stop, jetzt reicht ́s!“.

Was sind bis jetzt deine größten Erfolge und Meilensteine und welche Sprossen der Karriereleiter möchtest du als nächstes erklimmen?

Also ehrlich gesagt, ist es für mich schon ein Erfolg das erste Jahr Selbstständigkeit gut überstanden zu haben – während einer Pandemie mit zahlreichen Lockdowns! Man kann sicherlich auch unter einfacheren Bedingungen starten. Ansonsten bin ich total Dankbar für all die schönen Kooperationen, die sich bisher ergeben haben. Dass meine Stücke zum Beispiel in einem so gut kuratierten Sortiment wie dem von der „Sellerie“ vertreten sind, ist für mich eine große Ehre.

Eine tolle Zusammenarbeit mit „studio tut“ möchte ich hier auch erwähnen. Ich produziere eine von ihnen designte Tellerserie, die letztes Jahr auf der Vienna Design Week ausgestellt war. Ansonsten würde ich gerne auch internationale Keramik-Luft schnuppern. Passend dazu werde ich im April in Paris an der Vasen-Ausstellung von „1000 Vases“ teilnehmen, die während der Art Paris stattfinden wird. Darauf freue ich mich schon sehr.

Schauraum 41 - Keramikkunst aus Wien © Wiener Wohnsinn

Wenn man nützliche, schöne Dinge selbst fertigt, ist dann das eigene Zuhause voll damit oder hast du auch Tableware und Objekte von anderen Kreativen aus deiner Branche in deinen vier Wänden? Welche anderen Keramikkünstler findest du toll?

Ja, meine Wohnung ist tatsächlich voll mit meinen Stücken, aber eher mit den Teilen die irgendwo einen kleinen Fehler haben und deshalb nicht verkauft werden können. Prototypen oder Stücke, die als Glasurproben gedacht waren, landen auch oft bei mir daheim. Mein Geschirr ist eine sehr bunte Mischung aus ebensolchen Teilen, aus Erbstücken von der Oma und sonstigen Fundstücken.


Von meinen Kolleg_Innen aus der Werkstatt hab ich natürlich auch Stücke, diese schätze ich sehr. Eine vollständige Aufistung von Keramikkünstler_Innen, die ich bewundere, würde hier vermutlich den Rahmen sprengen, darum hier eine (kurze) Auswahl einiger Künster_Innen, die ich im Moment besonders spannend finde: Lotte Westphael, Robynn Storgaard, Lauren Nauman, Michal Fargo, Valéria Nascimento, Anne Butler, Cecil Kemperink, Gertrud Vasegaard, Leah Kaplan, Kansai Noguchi und Levi van Veluw, wobei der eigentlich kein Keramiker ist.

Wo kann man deine Stück erwerben – außer bei euch im Schauraum im 18. Bezirk?

In der „Sellerie“ in der Burggase, im „Jadetee & Keramik“ in der Berggase, bei „El-Be“ in Melk, meine Ölfaschen sind, befüllt mit Bio-Olivenöl, bald im Onlineshop von „Gute Sachen“ erhältlich und eventuell bin ich heuer bei ein paar Keramikmärkten vertreten, aber das ist noch in der Schwebe. Ich arbeite außerdem an einem Onlineshop. Solange der noch nicht fertig ist, kann man mich natürlich auch über das Kontaktformular auf meiner Website oder direkt über Instagram kontaktieren.

Keramikerin Agnes Kimeswenger-Kilyenfalvi von Studio ABK © Wiener Wohnsinn

Die Arbeiten von Agnes könnt ihr aber auch im Schauraum 41 in der Leitmayergasse 41, 1180 Wien erwerben. Zusammen mit ihren Kolleg_Innen Hermann Seiser, Yvonne Rausch, Andrea Kollar und Georgina Vaz Cabral bietet sie hier ihre handgemachten Stücke zum Verkauf an. Und wenn man Glück hat, darf man den Künstlern vielleicht auch beim Kreativsein über die Schulter schauen.

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